So war's über den Wolken - Landwirtschaftliche Studienfahrt 2014

Um Energie, regionale Kreisläufe, den Rohstoff Holz, aber auch um Meteorologie drehte sich die diesjährige landwirtschaftliche Studienreise der KLJB Diözese Eichstätt. 19 Landjugendliche und Kaplan Markus Müller reisten unter der Leitung von Agrarreferentin Sandra Foistner ins Allgäu, um neben dem Besuch der weltbekannten Wieskirche das „Sonnendorf“ Rettenbach – ein Ökodorf wie es im Buche steht – zu besichtigen. Interessantes rund um den Rohstoff Holz, aus dem ein grenzüberquerender Baumkronenpfad geschaffen wurde, aber auch die Zugspitze mit der Bergwetterwarte des Deutschen Wetterdienstes als Datenlieferant für Wettervorhersagen waren informative Stationen dieser Studienreise.

Der Nebel hing noch über den grünen Hügeln des Allgäus, als wir gegen 10 Uhr die

Wieskirche betreten, die sich auf einer Anhöhe hinter Wäldern versteckt und von der entfernten Hauptstraße kaum auszumachen ist. Die Glocken läuten und es beginnt auch schon die Feiertagsmesse an diesem Tag der Deutschen Einheit, der in der berühmtesten Rokokokirche der Welt heute vom Schongauer Bergsteigerchor mit der Waldermesse umrahmt wird. Unser mitreisender Kaplan Markus Müller hält als Hauptzelebrant die Predigt der Messe und versäumt es nicht, die Landjugendlichen der KLJB Diözese Eichstätt zu begrüßen und unsere Reise unter Gottes Segen zu stellen.

Im Anschluss an diesen feierlichen Gottesdienst durften wir der kurzweiligen Kirchenführung von Pfarrer Georg Fellner beiwohnen, der uns auf eine Zeitreise durch die knapp 200jährige Geschichte der Wallfahrtskirche „Zum gegeißelten Heiland auf der Wies“ mitnimmt. Mit enormem Wissen um das Gesamtkunstwerk erläutert er die Schönheiten dieses Bauwerkes, das von den Gebrüdern Johann Baptist und Dominikus Zimmermann erbaut wurde. Tief beeindruckt vom feierlichen Gottesdienst, aber auch dem freundlichen Gotteshaus mit seinen farbenfrohen Wand- und Deckengemälden sowie den aufwändigen Fresken ist uns nun klar, warum jährlich Tausende zu dieser Wallfahrtskirche pilgern, die seit 1983 zum UNESCO Weltkulturerbe gehört. Und wie bestellt spitzt auch für uns zum Abschied von diesem göttlichen Ort die Sonne hinter den Wolken hervor.

 

Nächste Station unserer Reise ist Rettenbach am Auerberg. Nach dem Mittagessen im Gasthaus „Skihütte“ treffen wir uns mit 1. Bürgermeister Reiner Friedl. Er führt uns durch den Ort und erläutert uns die Besonderheiten seines „Sonnendorfes“, das im herrlichen Allgäuer Hügelland auf 832 Meter über NN liegt. Der Ort wurde 1978 eingemeindet und hat sich aber bis 1993 mit viel Engagement seine Eigenständigkeit „zurückerobert“. „Sonnendorf“ deshalb, weil die Gemeinde rein rechnerisch energieautark ist, da über Photovoltaik- und Solaranlagen mehr Energie produziert wird als verbraucht wird. Damit belegte Rettenbach bereits mehrfach den ersten Platz in der Solarbundesliga, in der sich Gemeinden in der installierten Photovoltaik- und Solarthermieleistung messen. Die Wirtschaft von Rettenbach ist einerseits landwirtschaftlich geprägt, andererseits haben hier auch mehrere mittelständische Gewerbebetriebe ihren Sitz wie etwa Hersteller für Forstmaschinen und Kommunalmaschinen. Auch besitzt das Dorf die deutschlandweit erste SB-Tankstelle für reines Pflanzenöl. Zur Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe wurde ein neuer Dorfladen, der „Weichbergmarkt“, im Jahr 2007 eröffnet. Dieser Markt, der im Holzbohlen-Baustil zentral im Ortskern steht, bietet den rund 800 Dorfbewohnern ein Waren-Vollsortiment, von Lebensmitteln über Getränke bis hin zu Putzmitteln und Balkonblumen, wobei auch auf den Verkauf von Regionalerzeugnissen geachtet wird. Das angegliederte Cafè mit herrlicher Sonnenterrasse, von dem man einen herrlichen Blick auf den Dorfplatz hat, bietet täglich Mittagsgerichte, der insbesondere von örtlichen Arbeitnehmern sehr gern angenommen wird. Einzigartig ist die ortseigene Währung, der sogenannte „Weichbergtaler“, eine Münze, die speziell für Rettenbach geprägt wurde, von der Gemeinde ausgegeben wird und einen Wert von fünf Euro hat. Ziel der Münze ist es, die Wertschöpfung im Ort zu halten, sprich, das verdiente Geld auch im eigenen Dorf auszugeben. So werden die Münzen, die der deutschen Zwei-Euro-Münze ähneln, nicht nur gerne als Geldgutscheine verschenkt. Auch die Sitzungsgelder der Gemeinderatsmitglieder werden in Weichbergtalern ausbezahlt, die in allen örtlichen Geschäften eingelöst werden können. Kindergarten, Metzgerei und Bäckerei, ein Bastelgeschäft, aber auch ein Spielplatz und ein herrlicher Badesee runden die Infrastruktur dieses Ortes ab. Gerne hätte Bürgermeister Friedl auch wieder die Schule im Dorf und hat dafür bereits ein Gebäude – ebenfalls im Holzbohlenstil errichtet, um auch für diesen Fall „gerüstet“ zu sein. Kurzum, auch fernab von Ballungszentren ist es möglich, eine angemessene Infrastruktur anzubieten, die eine Gemeinde lebens- und liebenswert macht. Rettenbach ist lebendiges Beispiel dafür.

 

Vom Auerberg führt unser Reiseweg weiter nach Füssen, wo wir den 2013 eröffneten Baumkronenweg Ziegelwies erkunden. Der 480 Meter lange und bis zu 21 Meter Weg ist eine hängebrückenartige Holzkonstruktion, die sich in beeindruckenden Weise über die Wipfel legt. Dass Holz kein starres Material ist, sondern sich durchaus bewegt merken wir deutlich, als wir alle uns auf der 90 Meter überspannenden Hängekonstruktion bewegen und das Holzkonstrukt stark zu schaukeln beginnt. „Da wird mir ja gleich schwindelig“, ist von einer Landjugendlichen zu hören. Dass auch den anderen Besuchern etwas unwohl wird, sieht man an den Besuchern mit blassem Gesicht, die sich an der Brüstung entlang zum Ausgang hangeln.

Die Lage des Baumkronenweges wurde geschickt gewählt. Die Einbindung in das Walderlebniszentrum Ziegelwies, die hervorragenden naturräumlichen Gegebenheiten mit Auwald, Bergwald und dem Fluss Lech schaffen eine Attraktion, die in dieser Art einzigartig ist. Der Baumkronenweg vermittelt aber auch Wissen und Verständnis über die Bedeutung des Waldes, über natürliche Ressourcen und über Zusammenhänge in Naturräumen und ist zu einer neuen Attraktion im Tourismus der Region geworden. Ideal am Eingang zum Naturpark Tiroler Lech gelegen, vertieft der Pfad die bestehende grenzüberschreitende Zusammenarbeit in den Bereichen Umweltbildung und Tourismus und führt zu einer Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe, unter anderem durch die Verwendung von heimischem Holz.

Und auch wir erkunden den Lebensraum Wald zwischen Wildfluss Lech und den Steilhängen des Allgäuer Bergwaldes, und zwar auf deutschem und österreichischem Boden – denn Natur kennt keine Grenzen! Wir finden informative Ausstellungen und ein vielfältiges Außengelände vor, dass alle Sinne dazu einlädt, Neues in Wald, Natur und Bergen zu entdecken und mehr darüber zu erfahren. Kurzum, ein informatives Gesamtkonzept, dass nachahmenswert erscheint.

Nach der Übernachtung in der Jugendherberge Füssen und einem geselligen Abend bei interessanten Gesprächen, machen wir uns am zweiten Tag der Reise auf den Weg zur Zugspitze. Mit der Zahnradbahn ging’s zum Zugspitzplatt, und von dort aus weiter mit der Gondel zum Gipfel, der auf Deutschlands höchstem Berg bei 2962 m über NN liegt.Unser Ziel an diesem Tag ist die Bergewetterwarte des Deutschen Wetterdienstes auf der Zugspitze, die in einem schlichten Holzturm neben dem Münchner Haus untergebracht ist, das bereits um 1900 erbaut wurde. Hier empfängt uns Wetterdiensttechniker Georg Demmer, der bereits seit knapp 40 Jahren Wetterdaten erfasst und an diesem die 24-Stundenschickt in luftiger Höhe hat. Erster Wetterbeobachter in der Station war um 1900 der spätere Antarktisforscher Josef Enzensperger, der dort oben sieben Monate überwinterte. Das Observatorium wird seit dem 11. November 1952 vom Deutschen Wetterdienst betrieben. Seit der Inbetriebnahme gibt es von der Zugspitze fast lückenlose Wetterbeobachtungen. Die einzige Unterbrechung der Messreihen trat nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen dem 5. Mai und dem 9. August 1945 ein.

Der etwa vier mal vier Meter messende Holzturm umfasst zwei Etagen, die Wohn- und Arbeitsbereich zugleich sind und die wir über enge, steile Treppen erklimmen.

„Die Wetterdaten, die wir erfassen werden verschlüsselt weitergegeben. Dieser Synop-Schlüssel ist weltweit gleich. Aus allen erfassten Daten werden dann die Wetterprognosen generiert“, erklärt uns der Wetterdiensttechniker seine Arbeit. Die Wolken beurteilt er selbst, da kann man sich auf den Laser, der nur ausschnittweise beobachten kann, noch nicht verlassen, meint Demmer. Denn auch die Wetterstationen sollen automatisiert werden, was in einigen Jahren auch das Aus für die bemannte Bergwetterwarte auf der Zugspitze bedeuten könnte.

Wir steigen aufs Dach des Holzturmes, auf dem sich die Messgeräte befinden. Regenmesser, Pollenfilter und Luftdruckmessgerät reihen sich neben Sonnenspektrometer und Radioaktivitätsmessgerät und füllen die „Dachterrasse“ aus. „Im Winter muss hier täglich Schnee geräumt werden, so dass wir die Luke öffnen können und zur Datenerfassung an die Messgeräte rankommen“.

Die im 24-Stunden-Dienst betriebene Station liefert täglich 24 stündliche Wettermeldungen mit Temperatur, Luftdruck, Strahlung, Windgeschwindigkeit sowie Art und Grad der Bewölkung. „Wenn ich die Dolomiten sehe, beträgt die Sichtweite rund 130 Kilometer“, erläutert uns Georg Demmer sein System zur Ermittlung der Sichtweite. Alle sechs Stunden erfolgt eine Niederschlagsmessung und alle zwölf Stunden die Aufnahme der Temperatur-Extremwerte, des Erdbodenzustandes und der Schneehöhe. Die tägliche Sonnenscheindauer misst ein Autograf. „Die Kondensstreifen, die die Flugzeuge ziehen, lassen auf die Feuchtigkeit in der Atmosphäre schließen. Sieht man keine Kondensstreifen, so ist es trocken“, weist uns Herr Demmer in die Grundlagen der Meteorologie ein. Neben den hochinteressanten Messinstrumenten, die uns der Wetterexperte Gerät für Gerät erklärt, bietet sich uns auf Deutschlands höchstem Berg auch eine herrliche Fernsicht. „Dort seht ihr das Inntal, und dahinter die Dolomiten“.

Kurzum, neben einer gigantischen Fernsicht konnten wir in der Bergwetterwarte des Wetterdienstes Interessantes und Wissenswertes rund um die Erfassung von Wetterdaten und deren Weiterverarbeitung erfahren, unter anderem zu Vorhersagen für den Wintersport, den Lawinenwarndienst und natürlich auch für die Landwirtschaft.

Wieder im Tal angekommen, traten wir die Heimreise an und trafen nach zwei kurzweiligen Tagen mit interessanten Stationen und viel Spaß wieder in Eichstätt ein.

 

 

Sandra Foistner

AVÖ-Referentin